Hybrid-Med-Arb

Was ist FRIMAP Hybrid-Med-Arb? 

Grundlagen und Gedanken zum Verständnis unserer Lehrgangs- und Schulungsangebote sowie unserer Systemdesigntools in der Beratung 

A. Ausgangslage 


Unsere jahrelange Praxiserfahrung zeigt, dass in einer nicht zuletzt durch Flucht- und Migrationsbewegungen zunehmend komplexer werdenden Gesellschaft mit superdiversen kulturellen Hintergründen und Facetten auch die in ihr praktizierten außergerichtlichen Konfliktbearbeitungsverfahren diesen Entwicklungen Rechnung tragen müssen. 


Diese Prämisse formuliert Elias J. Jabbour (Sulha) treffend wie folgt: Genau wie ein Konflikt im Kontext der Kultur untersucht werden muss, in der er entsteht, so muss das auch jeder Friedensprozess. Es ist absurd, einen Konflikt beschreiben zu wollen, ohne den Hintergrund der Beziehung zwischen den betroffenen Parteien und den laufenden sozialen Zusammenhang zu berücksichtigen. Genauso sinnlos ist der Versuch, diesen Konflikt auf eine Weise lösen zu wollen, die den betroffenen Kulturen fremd ist. 


I. Problem 


In der Praxis sind Individuen und ihre Lebensweise jedoch zumeist von Gewohnheiten geprägt. Der Mensch ist daher oftmals auch ein Gewohnheitsmensch. Veränderungen und zu viel Neues auf dem Gebiet der Konfliktprävention und der außergerichtlichen Konfliktbearbeitung können daher auch Skepsis oder gar Ablehnung bei den Stakeholdern hervorrufen. 


Naheliegend wäre demnach der Rückgriff auf traditionelle Konfliktbearbeitungstraditionen der Herkunftsländer. Auf abstrakter Ebene (rechtliche Gründe/integrationspolitische Gründe) ist es jedoch nachvollziehbar, dass Konfliktbearbeitungstraditionen der Herkunftsländer, die nicht den deutschen Mediationsstandards entsprechen, keine Anwendung finden können. 


II. Fragestellung 


Es stellte sich somit die Frage, wie wir als Entwickler von Schulungen und Tools für Konfliktbearbeitungssysteme sicherstellen können, dass diese 

  • einerseits den deutschen Mediationsstandards entsprechen und die Durchsetzung der Einheit der Rechtsordnung sowie des staatlichem Gewaltmonopols wahren und 


  • andererseits die Stakeholder dieses als legitimes, faires und zugleich einfach handhabbare Verfahrensformen und Systeme wahrnehmen und anerkennen. 

 

 

B. FRIMAP Lösungsansätze 

 

I. Mediationsinnovation durch Rechtssubjekte 

Ausgehend von dieser Prämisse entwickelten wir FRIMAP Hybrid-Med-Arb. Die Bezeichnung steht für Hybrid-Mediation-Arbitration, also eine Kombination von Vermittlungsverfahren und Schlichtungs- bzw. Schiedsverfahren.

Dieser innovative mediative Schulungsansatz, der zugleich auch die Grundlage unseres neuartigen Systemdesign-Tools zur Planung und Implementierung neuer, passgenauer und praxistauglicher mediativer Stufen- und Hybridverfahren bildet, fußt, analog zur Norminnovation durch ein Rechtssubjekt, auf den folgenden Überlegungen: 

Ähnlich wie in der Jurisprudenz, die im Rahmen des rechtlich zulässigen, Norminnovationen auf privater Ebene kennt, genannt seien hier beispielsweise die Entwicklung neuer ABGs und Vertragsarten, hat FRIMAP Partner im Bereich der Alternative Dispute Resolution (ADR) mit der FRIMAP Hybrid-Med-Arb rechtlich zulässige und das staatliche Gewaltmonopol wahrende mediative Schulungskonzepte und Systemdesign-Tools entwickelt. 

 

II. Erweiterter Verfahrensrahmen-Ansatz 

FRIMAP Partner sind der Ansicht, dass Gesellschaften mit superdiversen kulturellen Hintergründen und Facetten zugleich auch eine Vielzahl von hybriden, informellen außergerichtlichen Konfliktbearbeitungssystemen in sich bergen, die als soziale Kontrollmechanismen parallel zur Gesamtgesellschaft wirksam sind, und das Konfliktverhalten der Menschen bestimmen. Dieses Wissen werden wir im Rahmen einer Diffusion von ortsübergreifenden Konfliktbearbeitungsverfahren in Deutschland nutzen und weiterverbreiten. 


Die Berücksichtigung von Konfliktbearbeitungstraditionen aus der Heimat der Vorfahren der Stakeholder mit ihren jahrhundertealten sozialen Kontrollmechanismen kann, soweit diese im Einklang mit der deutschen Rechtsordnung stehen, bei der Prävention und Bearbeitung von Konflikten unter Geflüchteten in Deutschland nützlich sein und darüber hinaus helfen, einem etwaigen Autoritätsverlust des Staates, entgegenzuwirken.
 

Im Rahmen des von den Parteien und dem Mediator/der Mediatorin erarbeiteten Verfahrensrahmens und dem damit verbundenen Entscheidungsrahmen kann mit einfachen Maßnahmen wie beispielsweise der Berücksichtigung von Kommunikationsmethoden, der Beibehaltung von gemeinsamen Gebeten, der Einbindung von Ritualen, wie etwa einer gemeinsamen öffentlichen Erklärung und eines anschließenden gemeinsamen Essens sowie der Verwendung alter Titel und Bezeichnungen (wie z.B. Muslih/Spin Giri) an traditionelle Formen der Konfliktbearbeitung der Herkunftsländer angeknüpft werden. 


Den neuen hybriden Verfahren nach deutschen Mediationsstandards kann so in gewissem Umfang eine Autorität der Geschichte verschafft werden, da Werte und Traditionen berücksichtigt und in Teilen hochgehalten werden, was ihre Akzeptanz bei den Stakeholdern erhöht. 

 

Unter Ausnutzung dieses Verfahrensrahmens bietet FRIMAP Partner hierdurch völlig neuartige Schulungsansätze und zugleich neue praxistaugliche Systemdesigntools. Unsere Tools dienen der Entwicklung eines neuen und seitens der Stakeholder akzeptierten hybriden Systemdesigns zur alternativen Konfliktprävention und -bearbeitung und verbinden, ähnlich einem Mediations-Adapter, traditionelle Konfliktbearbeitungstraditionen aus den Herkunftsländern der Stakeholder mit dem deutschen Rechtssystem. 

Konfliktbearbeitungsverfahren der Herkunftsländer 

Südliches Afrika 

Ubuntu – Diese dem gesellschaftlichen Zusammenhalt dienende Philosophie basiert auf den Grundwerten Solidarität, Mitgefühl und Würde findet sich auch im Südafrikanischen Case Law.

 

Arabischer Raum
Sulh/Sulha – Die Wurzeln dieses Verfahrens liegen in der frühen arabischen Gesellschaft. Es dient der Konfliktbearbeitung zwischen Individuen, Familienverbänden, Dorfgemeinschaften und Stämmen.

 

Afghanistan

Spin Giri/Rish Safidia – Älteste, die als gewohnheitsrechtliche Akteure in einer Vielzahl von Streitigkeiten Vermitteln und Schlichten.

III. Pilotprojekte als Praxisbeispiele 

Die Praxistauglichkeit von FRIMAP Hybrid-Med-Arb wurde bereits im Rahmen zweier Pilotprojekte unter Beweis gestellt. Hier schulten wir Mediatorinnen und Mediatoren und entwickelten Systeme zur Implementierung jeweils passgenauer Stufen- und Hybridverfahren, die bei der Analyse bestehender Konflikte und potenzieller Konfliktfelder im jeweiligen kulturellen und sozialen Kontext halfen und darüber hinaus Konfliktbearbeitungstraditionen aus der Heimat der Vorfahren der Stakeholder berücksichtigten. 


In der Beratungspraxis untersuchten wir mit unserem Tool FRIMAP Hybrid-Med-Arb Konflikte und potenzielle Konfliktfelder in dem jeweiligen kulturellen Kontext, in dem sie entstanden, und entwickelten so Ansätze zu deren Bearbeitung und Lösung, die sowohl den Hintergrund der Beziehung zwischen den betroffenen Parteien, als auch die sozialen Zusammenhänge berücksichtigten. So verbanden wir den Verfahrens- und Entscheidungsrahmen der Verfahrensbeteiligten mit dem deutschen Rechts- und Wertesystem und entwickelten unter Rückgriff auf Konfliktbearbeitungstraditionen aus der Heimat der Vorfahren der Stakeholder passgenaue Hybride Konfliktbearbeitungssysteme, die die Parteien als legitimes, faires und zugleich einfach handhabbares System wahrnahmen und anerkannten. Dieser Arbeitsweise wurde im Rahmen unseres ersten Pilotprojekts auch das Wohlgefallen von führenden internationalen Expertinnen und Experten zugesprochen.

IV. Historische Vorbilder 

Unsere Vorgehensweise kann auf zahlreiche historische Beispiele zurückblicken, wie etwa der Umformung des antiken römischen Staatswesens von einer Monarchie in eine Republik. In diesem Fall ersetzte die Republik den König durch zwei Konsuln, denen die gleiche Anzahl an Liktoren unterstellt wurde wie zuvor den Königen. Die religiösen Funktionen des Königtums gingen auf den höchsten römischen Priester über, die dieser als Rex Sacrorum übernahm. 
 

C. Rolle des MediationsG 


Grob vereinfacht lassen sich, soweit FRIMAP Partner das aufgrund eigener Recherchen beurteilen kann, eine Vielzahl der in Deutschland relevanten Konfliktbearbeitungstraditionen der Herkunftsländer als Stufen- und Hybridverfahren ausdeuten, die über jeweils variierende mediative Anteile verfügen. Oftmals werden diese, wie beispielsweise das Sulh-Verfahren, von Teilen der Literatur irrtümlich als Mediation bezeichnet. 


Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen eine solche Kombinationslösung mit dem MediationsG vereinbar ist, kann nicht pauschal beantwortet werden und hängt vom jeweiligen Einzelfall ab. Zwar ist das MediationsG mit Blick auf die individuelle Ausgestaltung des Mediationsverfahrens sehr flexibel gehalten, was sich beispielsweise auch in der Möglichkeit zur Durchführung einer aktiven Mediation, einer Co-Mediation oder einer Shuttle-Mediation widerspiegelt. Jedoch könnten die genannten Konfliktbearbeitungsverfahren der Herkunftsländer nur dann unter der Ägide des MediationsG durchgeführt werden, wenn die Mediatorin oder der Mediator über keine Entscheidungsbefugnis in der Sache verfügen würde. In der Praxis wäre daher etwa eine Kombination in der die Mediatorin oder der Mediator zunächst versucht zwischen den Parteien zu vermitteln und im Falle des Scheiterns dieses Verfahrens im Anschluss eine Schiedsfunktion ausübt, nicht mit dem MediationsG vereinbar. 

Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 2 MediationsG, wonach die Mediatorin oder der Mediator keine Entscheidungsbefugnis in der Sache hat und die Parteien freiwillig und eigenverantwortlich eine Lösung erarbeiten sollen. Die Grenzen hybrider Verfahrensformen finden sich darüber hinaus auch bereits im Erwägungsgrund 11 der MediationsRL.
 

  • Für die Praxis bedeutet dies: Wird die Verhandlungslösung eines Konfliktbearbeitungsverfahrens mit der Entscheidung eines Dritten verknüpft bzw. durch eine solche ersetzt, so kann das MediationsG keine Anwendung finden. 


  • Fazit: Weisen die hybriden Konfliktverarbeitungstraditionen der Herkunftsländer einen Schiedsanteil auf, so wäre auf diese das deutsche MediationsG nicht anwendbar, was jedoch nichts über deren Effizienz und Anwendbarkeit in anderen Kontexten aussagt. 


D. Förderung der mediativen Vielfalt durch FRIMAP Hybrid-Med-Arb


Mediation ist nicht unveränderlich, sondern unterliegt zeit- und ortsübergreifend einem Wandel. FRIMAP Partner greift diese Prämisse auf und entwickelt – ähnlich wie in der Jurisprudenz, die im Rahmen des rechtlich zulässigen, Norminnovationen auf privater Ebene kennt –  neue und das staatliche Gewaltmonopol wahrende mediative Schulungskonzepte und Systemdesign-Tools im Kontext von gesellschaftlicher Superdiversität. 

Auswahl von geeigneten Mediatoren und Mediatorinnen in Asylbewerberunterkünften und Zentralen Unterbringungseinrichtungen (ZUE) 

Bilder/privat: Abschlussfrühstück zum Pilotprojekt in einer Asylbewerberunterkunft der Malteser NRW